Impulse und erste Schritte zum IoT-Business
IoT ist einer der Themenschwerpunkte des DZ.S. Um was es dabei geht erklärt der folgende Artikel. Interessierten bieten wir in Kürze im Workshop IoT-Impact: Wie starte ich mein IoT-Business? die Möglichkeit tiefer ins Thema einzusteigen. Zielgruppe sind Inhaber, Geschäftsführer, Innovations- und Projektmanager, aber auch Verantwortliche für Vertrieb und Business Development in Unternehmen aller Branchen.
Die Digitalisierung im Verborgenen
Nein, der Kühlschrank bestellt die Milch noch nicht automatisch. Aber das Internet der Dinge wächst. Nicht immer ist uns bewusst, wie sich die Digitale Transformation entwickelt – und das es dabei nicht nur um den Internetanschluss in der Küche und dem Auto geht.
Montag in Augsburg. Das weiße Müllauto fährt seine übliche Route, sie hat sich in den vergangenen Jahren kaum geändert. Straße für Straße, Haus für Haus, leeren die Männer die gelben Tonnen. Manche sind nicht mal halbvoll. Andere quellen über, so dass Plastiktüten und -dosen auf die Straße fallen, sobald man die Tonne nur anfasst. Die Müllmänner sind genervt, wenn sie den Müll von der Straße einsammeln müssen. Was sie hier an Zeit verlieren, versuchen sie hektisch an anderer Stelle wieder aufzuholen.
Dienstag in Barcelona. Das Müllauto nimmt die nächste Kurve, genau so wie es die Routenbeschreibung auf dem Bordcomputer vorgibt. Die Tonnen sind mindestens zu drei Vierteln gefüllt – alle Tonnen. Aber keine davon quillt über. Die Müllmänner freut es, der Job ist bequemer geworden mit dem neuen System, und auch abwechslungsreicher, weil sie jeden Tag auf einer neuen Route durch die Viertel fahren.
Das neue System: das ist das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT). Sensoren in den Mülltonnen melden der Müllabfuhrzentrale, wann es Zeit wird, den Abfallbehälter zu leeren. Ein Computer errechnet jeden Morgen die optimale Route für die fälligen Tonnen. Weil halbleere Behältnisse nicht mehr angefahren werden müssen, kommen im Laufe des Jahres weniger Kilometer zusammen. Weniger Benzinverbrauch, weniger verpestete Luft und geringere Kosten – und das mit einem System, das weitgehend ohne menschliche Eingriffe funktioniert: Die Mülltonne funkt an den Zentralcomputer, der funkt an das Müllauto – „Dinge“ kommunizieren selbstständig über das Internet und generieren automatische Aktionen, sie geben dem Anwender ihre Daten im Web preis oder lassen sich online fernbedienen. Das ist das Wesen des Internet der Dinge. Zumindest auf der rein technischen Seite.
Vorausschauende Wartung und mehr
Schon früher gab es Automatismen zwischen Dingen: In der U-Bahn führt das Überfahren eines roten Signals zur Notbremsung. Der Füllstands-Sensor am Öltank schaltet die Pumpe des Tankfahrzeugs ab, bevor es zum Überlauf kommt.
Doch im Internet der Dinge geht es um weit komplexere Zusammenhänge. Beispielsweise in der industriellen Fertigung. Sensoren und Steuerungen stellen eine Vielzahl von Informationen bereit: Temperatur, Ölstand, Drehzahl, Beschleunigung, Anzahl der Starts und Stopps von Antrieben, die Anzahl der Schaltvorgänge in einem Relais, die Kraft, mit der Sägen und Messer auf Werkstücke einwirken und vieles.
Während früher die rote Warnlampe erst anging, wenn eine Fehlfunktion auftrat – beispielsweise ein Klinge gebrochen war –, kann das Internet der Dinge solche Ausfälle verhindern: Abhängig von den aufgetretenen Belastungen wird die voraussichtliche Lebensdauer der Klinge errechnet und dem Wartungsdienst rechtzeitig eine Meldung vorab gesendet, so dass das Messer ausgetauscht wird, bevor es bricht. Aber eben auch nicht zu früh, denn zu häufige Wechsel würden die Kosten unnötig in die Höhe treiben.
Allerdings: Für ein wenig bessere Wartung alleine würden sich die Investitionen in das Internet der Dinge und in Industrie 4.0 nicht lohnen. Dies ist nur eine von vielen Facetten der Technik, die das IoT ermöglicht. In der intelligenten Fabrik werden zugleich Maschinen- und Anlagenentwicklung vereinfacht, Abläufe effizienter gesteuert und die Qualität nicht erst am Endprodukt geprüft, sondern bereits im laufenden Prozess optimiert.
Alles wird smart
Es gibt verschiedene Beispiele von Einsatzszenarien im IoT, in vielen unterschiedlichen Bereichen. Die Komplexität der Steuerung wird dabei meist mit einer Form von Intelligenz gleichgesetzt. Deshalb ist vom Smart Home, der Smart City, dem Smart Building, der Smart Factory, Smart Health, Smart Cars und ähnlichem die Rede.
Der Trick dabei: Meist sind nicht die Geräte selbst „intelligent“. Sondern ein Webdienst in der Cloud, der Daten verschiedener Quellen im IoT sammelt, auswertet und daraus Aktionen ableitet, bildet das „Gehirn“. Die Standardisierung von Cloud-Anwendungen, über Anwendungen wie Docker, und die Nutzung von Open-Source-Plattformen wie Github auch von Seiten der großen IT-Anbieter, wie Microsoft, Oracle und SAP, haben die Entwicklung erheblich vorangetrieben.
Eine weitere Entwicklung ist die „Schwarm-Intelligenz“, die sich zum Beispiel bei vernetzten Fahrzeugen präsentiert. Stehen hunderte von Fahrzeugen auf einem bestimmten Streckenabschnitt, dann weiß der Zentralrechner: Hier herrscht Stau. Er kann dann anderen Fahrzeugen rechtzeitig alternative Streckenführungen durchgeben. Heute sind es in erster Linie die Daten von Smartphones, die den Verkehrsdiensten anonymisiert von den Mobilfunkprovidern zur Verfügung gestellt werden, um das Verkehrsgeschehen abzudecken.
Eine direkte Vernetzung der Autos lässt jedoch viele weitere Anwendungen zu: Wird eine Straßenführung beispielsweise durch Baumaßnahmen verändert, kann die neue Fahrtroute in die Streckennavigation aller anderen Fahrzeuge integriert werden, so dass die Karten automatisch aktualisiert werden. Das geht bis hin zur Auswertung der Straßenbeschaffenheit: Auf der IAA wurde ein „digitales“ Auto präsentiert, das sogar Schlaglöcher an andere Fahrzeuge weitermeldet. Die können das Hindernis dann automatisiert umfahren – oder das Fahrwerk dynamisch anpassen, damit die Insassen nicht so stark durchgeschüttelt werden.
Technische Entwicklung
Dass nun immer mehr Datenquellen mit Cloud-Diensten verknüpft werden können, ist zum einen der Digitalisierung geschuldet. Auch einfache Sensoren oder Netzknoten „sprechen“ IP, enthalten zum Teil sogar eigene einfache Webserver und senden ihre Informationen in digitalen Datenformaten. Neben anderen haben sich MQTT und OPC UA als Standards auf Busebene in Gebäuden und Fabrikationsanlagen etabliert, die von den Webservices direkt ausgewertet werden können. Die dafür notwendigen Anwendungen kommen von Software-Entwicklern wie XITASO oder NEULAND Software, für die das IoT zu den Schwerpunkten ihres Angebots gehört.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der steigende Grad der Vernetzung, und hier insbesondere die drahtlosen Datenkommunikation. Sinkende Preise für die Mobilfunkkommunikation, energiesparende Datenübertragungsstandards auf Basis von RFID oder Bluetooth, und neue Netzdienste wie Narrowband IoT, die speziell auf die Anforderungen des Internets der Dinge abgestimmt sind, vereinfachen die technische Anbindung und machen den Einsatz auch aus wirtschaftlicher Sicht interessant.
Einen neuen Schub soll das künftige Mobilfunknetz der fünften Generation (5G) bringen, dessen Start ab 2020 erwartet wird, bis 2025 soll Europa flächendeckend versorgt sein. Dieses ist für Mesh-Technologien ausgelegt, das heißt: jedes Gerät, das im Netz eingeloggt ist, sendet nicht nur eigene Daten, sondern dient auch als Verteiler zwischen verschiedenen Funkzellen, so dass die Daten auch ohne kabelgebundene Infrastruktur durchs Netz wandern können.
Mehr als nur Vernetzung und Digitalisierung
Die Daten, die in der Cloud liegen, bieten die Basis für völlig neue Anwendungen und Services, bis hin zu neuen Geschäftsmodellen. So können Ortungsdaten an Schneeräumern genutzt werden, um die Räumarbeiten zu dokumentieren und abzurechnen. Logistikdienstleister können ihren Kunden genau sagen, wo die Ware ist, und wann sie übergeben wird. Und auf Baustellen eingesetzte Maschinen und Geräte lösen Alarm aus, wenn sie festgelegte Areale verlassen – so wird Diebstahl frühzeitig bemerkt und unterbunden.
Im Zentrum der Entwicklung steht hier die „Plattform-Ökonomie“. Bislang herrscht noch eine lineare Beziehung Hersteller – Vertrieb – Endkunde vor, die sich noch feiner granuliert darstellen lässt, etwa mit Dienstleistern, die Produkte im Auftrag des Herstellers veredeln, Logistikern, Groß- und Einzelhändlern. Die Beziehungen im Umfeld des Cloud-Business sind nicht mehr linear, sondern selbst wie eine Wolke. Zentraler Punkt ist eine Plattform, an die sich andere Anbieter mit eigenen Produkten und Services andocken können.
Die erste große Entwicklung in dieser Richtung zeigte Apple: Der Siegeszug des iPhone ist auch dem Umstand geschuldet, dass mit App-Store und iTunes zwei Plattformen geschaffen wurden, über die Software-Entwickler und Content-Anbieter einfach und schnell den Smartphone-Nutzer als Kunden gewinnen konnten. Diese Vielfalt an Anwendungen, Musik-, Film- und Bücherdownloads machte das iPhone gegenüber späteren Wettbewerbsprodukten attraktiv – Apple selbst hätte dieses Angebot nicht zustande gebracht, verdient aber daran.
Diese Entwicklung setzt sich im Internet der Dinge fort: Services und Software von Drittherstellern ergänzen die Hardware, fügen ihr neue Funktionen und neue Anwendungsmöglichkeiten hinzu. Wo Smartwatches heute bereits durch einfache Pulsmessung Leben retten, tritt morgen das Kardio-Armband und die Auswertung des EKG durch künstliche Intelligenz hinzu.
Wie aus Daten wertvolle Informationen und damit neue Geschäfts-Chancen werden, ist ein elementares Thema bei der Entwicklung des Internet of Things. Das kann das ganze Unternehmen verändern, sei es, dass bisherige Wettbewerber zu Kooperationspartnern werden, oder dass die Herstellung von Hardware in den Hintergrund rückt und stattdessen Services der neue Tätigkeitsschwerpunkt werden. Jan Rodig, CEO der Augsburger Digitalagentur Tresmo, hat diese Erfahrung in vielen IoT-Projekten gewonnen: „Wer den Schritt Richtung IoT geht, beginnt mit der Digitalen Transformation. Und die zieht sich immer durch das ganze Unternehmen. Da sind manchmal tiefgreifende Entscheidungen notwendig.“
©Harry Jacob, freier Journalist im Auftrag des DZ.S